Der letzte Tag

Unseren letzten Tag auf Sardinien konnten wir in aller Ruhe angehen. Die Fähre von Olbia nach Civitavecchia, die wir vor zwei Tagen gebucht hatten, legte erst um 23 Uhr ab, genügend Zeit also für diese kurze Etappe.

Von La Maddalena setzten wir nach Palau über. Unser erstes Ziel war die Region um Arzachena. Hier gibt es zahlreiche Funde und Ausgrabungen aus der Bronzezeit. Ein im wahrsten Sinne des Wortes herausragender Fundort aus dieser Zeit ist das „Gigantengrab“ von Coddu Vecchiu.

Das Tunnelgrab von 10,5 m Länge wurde 1800 v. Chr. vermutlich als Kollektivgrab des nahegelegenen Dorfes La Prisgiona errichtet. In der Nuraghenzeit, rund 500 Jahre später, hatte der Ahnenkult an Bedeutung gewonnen. Deshalb wurden nun als Abgrenzung des Grabes Granitplatten aufgestellt, so dass vor dem Grab ein halbkreisförmiger Platz für die Beisetzungsrituale entstand. Der Eingang zum Grab erhielt eine besonders herausragende Stele von über 4 m Höhe.

Nicht weit vom Gigantengrab entfernt trifft man auf die Überreste des Nuraghendorfes La Prisgiona. Bei der Freilegung dieser deutlich gegliederten Nuraghe stellte man fest, dass in verschiedenen Hütten unterschiedlichen handwerklichen Tätigkeiten nachgegangen wurde, zum Beispiel: Brennen von Keramik und Brotbacken.

Zum Abschluss warfen wir noch einen Blick auf die Costa Smeralda, wo sich der Jetset angesiedelt hat. Wer hier aber idyllische Fischerdörfer sucht, ist fehl am Platz. Der felsige Küstenabschnitt mit seinen Sandbuchten im Nordosten Sardiniens war unbewohnt, bis ihn in den 1960er Jahren der arabische Prinz Karim Aga Khan IV den sardischen Schäfern für umgerechnet wenige tausend Euro abkaufte. Aga Kahn begann die Retortenstadt Porto Cervo als Treffpunkt für Reiche und Superreiche zu errichten. Porto Cervo und die Costa Smeralda waren spätestens 1977 weltbekannt, als dort der Bond-Film „Der Spion der mich liebte“ gedreht wurde. Weitere touristische Projekte folgten.

Zuletzt gelangte die Costa Smeralda 2010 wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, als sich die Staatsanwaltschaft, wegen der sexuellen Ausbeutung minderjähriger Mädchen, für die Sexpartys in Silvio Berlusconis Villa Certosa interessierte.

Mir ist das ganze ziemlich sauer aufgestoßen. Der ursprüngliche Plan, hier etwas Unverwechselbares zu schaffen, ist gescheitert. Das Einzige was vermieden wurde sind mehrstöckige Hotelanlagen, dafür geht es dann in die Fläche. Schlimm finde ich, dass geniale Küstenabschnitte nicht mehr frei zugänglich sind. Dies sei am Beispiel des Grand Hotels Poltu Quartu verdeutlicht.

Die Hotelanlage liegt am Ende einer ca. 1 km langen, fjordartigen Bucht. Zusammen mit den zusätzlichen Dienstleistern (Shops und Gaststätten) ist die Bucht hermetisch abgeriegelt. Die im Hotel integrierte Hafenmeisterei verwaltet die 311 Liegeplätze, die sich entlang der gesamten Bucht verteilen.

Natürlich ist die Costa Smeralda mit ihrem rosafarbenen Granit und dem Wasser, das von Türkis bis Tiefblau  alle Farbschattierungen aufweist, auch heute noch ein landschaftlich toller Küstenabschnitt. Nachfolgend die Aussicht von der Terrasse eines kleinen Cafés, das der Besitzer zwischen Küstenstraße und Abgrund an den Hang gequetscht hat. Der Blick schweift über den Golfo di Congianus hinüber zum Capo Figari. Dahinter erhebt sich, einem Tafelberg gleich, die Isola Tavolara 565 m aus dem Meer.

Im Fährhafen von Olbia angekommen, wurden wir mit viel Personalaufwand an den richtigen Liegeplatz geleitet. Offensichtlich haben die einzelnen Fährlinien hier keine festen Liegeplätze, so dass eine dauerhafte Beschilderung nicht möglich ist. Kein Check-in Point, nichts. Erst direkt vor der Fähre erhält man sein Ticket aus dem tragbaren Drucker der Lademeisterin. Dem Strichcode des Smartphons sei Dank.

Die für das Verladen der Fahrzeuge zuständige Crew machte aber – zumindest noch – einen sehr entspannten Eindruck. Wir fuhren diesmal mit „Superman“, das Schwesterschiff „Wonder Woman“ lag am Kai gegenüber. Was konnte da noch schief gehen? Wir hatten von Sardinien bereits Abschied genommen und lagen in der Koje, als die Fähre kurz vor Mitternacht ihre Taue löste.

Rückblickend lässt sich sagen, dass Sardinien ein sehr lohnendes Reiseziel ist. Das Frühjahr ist als Reisezeit ideal, denn dann trifft man auf eine grüne Insel mit einer vielfältigen, nach Höhenlage und Region ausdifferenzierten Flora. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Tourismus in dieser Jahreszeit erst vorsichtig beginnt. Die Sarden sind also noch weitgehend unter sich, weshalb deren Lebensalltag noch kaum vom Touristengeschäft überlagert und somit verfälscht wird. Allerdings stehen im Gegenzug etliche Einrichtungen und Dienstleistungen noch nicht zur Verfügung. Dies gilt es in der Planung zu berücksichtigen. Erst ab 15. Juni „läuft das volle Programm“. Dann steigen jedoch auch die Touristenzahlen rapide an. Sardinien lohnt sich jedoch nicht nur wegen seiner abwechslungsreichen Landschaft, sondern es hat auch kulturell einiges zu bieten, denn es war über Jahrtausende dem Einfluss fremder Mächte ausgesetzt, die jeweils ihre Spuren hinterlassen haben. Zur sardischen Kultur gehören auch zahlreiche Feste, die häufig einen lokalen Ursprung haben und damit auch heute noch Ausdruck gelebten Brauchtums sind. Und auch Aktiv-Urlauber kommen voll auf ihre Kosten. Ob Wasser- oder Bergsportler, Wanderer, Radfahrer oder Gleitschirmflieger, Sardinien bietet für alle etwas. Die eleganteste Anreise aus Deutschland bieten für Individualreisende die Nachtfähren von Genua. Man spart unnötige Kilometer auf Italiens fragwürdigen Autobahnen und kommt ausgeruht in der Zielregion an.


13 Gedanken zu “Der letzte Tag

  1. Vielen vielen Dank für die unzähligen wunderschönen Bilder und die dazu gehörigen Reiseberichte. und Geschichten – wieder eine tolle Reise – und wir durften teilhaben!!!

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  2. Hallo Horst, und wieder ein interessanter Bericht mit Abschluss Bilanz.
    Wir freuen uns schon auf Eueren naechsten Urlaub.
    Dieses Jahr ist Sardinien wirklich das Ziel von den Europ. Urlaubern und noch ein paar von Uebersee. Kenne noch einige die jetzt dort sind oder bald gehen.
    Lg gudrun und Herbert

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  3. Lieber Horst,
    ein schöner Abschluss und viele interessante Infos zur Insel. Etwas Traurigkeit überkommt mich schon, dass diese Reise zu Ende ist.
    Dein Foto von der Bucht mit Yacht und „hermetisch abgeriegelt“ lässt ahnen, wer sich diesen schönen Flecken Erde wieder einverleibt hat …
    Viele Grüße
    Brigitte

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    1. Liebe Brigitte,
      mit deiner Vermutung liegst du natürlich richtig. Dennoch, das 5-Sterne-Hotel steht allen Pauschalurlaubern offen. Ob du allerdings so viel für ein Hotel ausgeben willst und ob du dich dort ganz ohne Segeljacht wohlfühlen würdest, bleibt offen.
      Du hast ja gersade mit tollen Bildern und Reiseberichten gezeigt, dass du gut und gerne mit dem E-Bike und in kleineren Hotels Urlaub machen kannst.
      Liebe Grüße
      Horst

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      1. Ein sauberes Zimmer, ein leckeres Frühstück und ich bin glücklich. 5 Sterne- ohje da MUSS ich mich ja stylen, die Jacht überlasse ich gerne anderen 🙂

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