„Das Weltkulturerbe Völklinger Hütte ist das erste Denkmal aus der Blütezeit der Industrialisierung, das in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen wurde. Die Industrieanlage im Saarland steht exemplarisch für die grenzüberschreitende Industrialisierung in Europa.“ (Aus dem Lageplan der Völklinger Hütte)

Nachfolgend ein Blick über Teile der Anlage von der Aussichtsplattform über einem Hochofen in 45 m Höhe. Der 175 m lange Schriftzug auf dem Dach der Möllerhalle ist bereits ein Exponat für die Urban Art Biennale, die vom 01.05. bis 06.11.2022 in der Völklinger Hütte stattfindet (siehe hierzu: https://voelklinger-huette.org/de/ausstellungen/-/urban-art-biennale/212). Der kanadische Künstler Roadsworth hätte für seinen Schriftzug „Defund the War Machine“ (Kein Geld mehr für die Kriegsmaschine) keinen besseren Platz finden können.

Blick von der Aussichtsplattform auf die Winderhitzer.




Die Hochöfen sind zwischen den gewaltigen, 40 m hohen Winderhitzern fast zu übersehen.

Alleine schon durch die Dimension und Komplexität der Anlage ist die Völklinger Hütte ein absolut beeindruckendes Museum. Auch der Darstellung der Arbeitsbedingungen in der jeweiligen Zeit wird viel Raum gegeben. Was mir aber zu kurz kommt, ist die Bedeutung der Völklinger Hütte im Spannungsfeld der Feindschaft zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich. Hierzu zählt auch eine intensive Auseinandersetzung mit Hermann Röchling, dem Sohn des Firmengründers Carl Röchling, der den Stahlkonzern von 1898 bis zur Zwangsverwaltung nach dem 2. Weltkrieg 1945 leitete. Als Besucher ist es möglich durch die Anlage zu kommen und beeindruckt von dannen zu ziehen, ohne mit diesem Paradebeispiel Deutscher und Europäischer Geschichte konfrontiert zu werden. Damit vergibt man die Chance, Mechanismen aufzuzeigen, die auch heute noch die Politik weltweit bestimmen. Dies aber wären wir der Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder schuldig.

Aus dem Rost erwacht neues Leben.




Historischer Abriss:
Die Gebr. Röchling waren bereits in der Montanindustrie aktiv, als sie 1881 das bankrotte Eisenwerk in Völklingen aufkauften. Carl Röchling führte den Betrieb in wenigen Jahren zum Erfolg. Über 100 Jahre setzte die Völklinger Hütte immer wieder neue Maßstäbe in der Stahlerzeugung.
Mit Einführung des Thomas-Verfahrens zur Stahlerzeugung wurde in der Völklinger Hütte das Eisenerz aus der französischen Nachbarregion Lothringen mit der Steinkohle aus dem Saargebiet verhüttet. Das machte das Saargebiet und Lothringen zum Spielball zwischen Deutschland und Frankreich.

1898 übernahm Hermann Röchling das Unternehmen von seinem Vater. Hermann Röchling war eine umstrittene Figur. Er war nicht nur unternehmerisch sondern auch politisch aktiv. Im 1. Weltkrieg war er für die Requirierung von Maschinen im besetzten Frankreich zuständig. Diese wurden nach Deutschland gebracht, um dort die Kriegswirtschaft hochzufahren. Nach dem Krieg wurden deshalb seine französischen Firmen enteignet und er und sein Bruder Robert zu 10 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Hermann Röchling entzog sich durch Flucht und kaufte sich durch die Übergabe eines Mehrheitsanteils von 60% der Völklinger Hütte an den französischen Staat frei. Seit Kriegsende stand das Saargebiet unter französische Zwangsverwaltung. Ab 1920 setzte sich Röchling für den Verbleib des Saargebietes im Deutschen Reich ein. 1933 gründete er die Deutsche Front, um bei der Saarabstimmung 1935 eine Mehrheit für den Anschluss ans Reich und damit an Adolf Hitler zu mobilisieren. Ein damaliger Gegenspieler von ihm bei der KPD war Erich Honecker, der spätere Generalsekretär der SED und somit Staatsoberhaupt der DDR.
Nach dem Anschluss des Saarlandes 1935 trat Röchling der NSDAP bei. Er stieg rasch zu einem der mächtigsten Industriebosse im 3. Reich auf und genoss Hitlers Vertrauen. Bereits 1936 forderte er Hitler zum Krieg gegen die Sowjetunion und zum Kampf gegen das Judentum auf. Zwischen 1940 und 1942 war er Generalbevollmächtigter für die Eisen- und Stahlindustrie im besetzten Lothringen.
Sein Sohn Karl-Theodor wurde am 17. Dezember 1944 zusammen mit einem Oberingenieur auf der Völklinger Hütte ermordet. Die Umstände wurden nie aufgeklärt.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde Hermann Röchling neuerlich der Prozess gemacht. Er wurde im Januar 1949 zu 10 Jahren Haft verurteilt, bereits aber nach zwei Jahre aus gesundheitlichen Gründen entlassen. Er starb 1955 in Mannheim.



Das Saarland wurde 1956 an Deutschland und die Völklinger Hütte an die Familie Röchling zurückgegeben. 1965 waren in der Völklinger Hütte 17000 Mitarbeiter beschäftigt.
1975 wurde das Hüttenwerk von der Stahlkriese erfasst. Nach mehreren Fusionen ging daraus 1989 die heutige Saarstahl AG hervor.
1986 erfolgte die Stilllegung der Roheisenproduktion. Die Völklinger Hütte wurde als Industriedenkmal unter Schutz gestellt. Seit 1994 gilt sie als UNESCO Weltkulturerbe.
Danke für diesen Beitrag über das Zentrum der Stahlindustrie in Deutschland. Die Fabriken sind sehr beeindruckend und es ist sicherlich gut, dass sie jetzt von der UNESCO geschützt sind. Ein schönes Stück Erbe. Danke auch für die schönen Bilder und den Weblink.
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Lieber Rudi,
herzlichen Dank für deine Rückmeldung.
Horst
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👌👌👌📷 line
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Also ich war mal im Industriepark in Duisburg und da gibt es auch so ein Stahlwerk. Sind schon sehr beeindruckend die Anlagen wenn man auch noch die Arbeitsbedingungen erahnen kann.
Diese Anlagen gehören definitiv geschützt für mich keine Frage !
Super deine Detailaufnahmen die gehören dazu !! LG Manni
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Hallo Manni,
herzlichen Dank für deine detaillierte Rückmeldung.
Liebe Grüße Horst
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Ah, ein weiterer Beitrag aus meiner alten Heimat! Die Völklinger Hütte ist wahrlich ein Highlight. Ich besuche sie regelmäßig, da dort oft tolle Ausstellungen sind. Nächste Woche steht wieder ein Heimatbesuch an, dann werde ich mir die Urban Art anschauen.
Solche Industriedenkmäler müssen unbedingt erhalten bleiben. Und in Völklingen hat man dafür ein gutes Konzept gefunden, auch wenn, wie von dir angesprochen, die politische Seite der Angelegenheit etwas unterbelichtet bleibt. Tolle Aufnahmen hast du da gemacht!
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Liebe Elke,
ganz herzlichen Dank für deine umfassende Rückmeldung. Ich finde das Konzept auch toll und am Ende bleibt nur das erhalten, was sich wirtschaftlich trägt und das sieht, zumindest von außen, bei der Völklinger Hütte gut aus.
Liebe Grüße
Horst
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Lieber Horst,
vielen Dank für die Aufnahmen und die Infos zur Völklinger Hütte. Vor ca 30 Jahren besuchten wir die Anlage, ich war begeistert. Für die Hintergründe und die Geschichte interessierte ich mich damals nicht, aber nun im weiter geschrittenen Alter bekommt das mehr an Bedeutung und ist interessant zu lesen.
Das Foto von den Farbabblätterungen gefällt mir, wieviel Personen hier schon gemalert haben?
Liebe Grüße
Brigitte
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Liebe Brigitte,
so wie dir ging es sicher vielen. Jugendliche interessieren sich für die historischen Dimensionen oft nicht. Vielleicht liegt es auch daran, dass es häufig nicht gelingt, die Mechanismen herauszuarbeiten, die auch in der Gegenwart noch wirksam sind. Und so geht man an der Lebenswirklichkeit der jüngeren Generation vorbei.
Die Farbabblätterungen haben mich regelrecht angesprungen. Da konnte ich nicht dran vorbeigehen. Sie erzählen in der Tat Geschichte und Geschichten, wie die Jahresringe eines Baumes.
Liebe Grüße
Horst
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Hallo Horst, danke für deine Hintergrundinformation zu den Besitzern der Hütte und ihre politische Rolle. Ja, Kuratoren und Museumsleiter tun sich oft schwer, die gesellschaftlichen Zusammenhänge mit aufzuarbeiten, da sie hier Widerspruch fürchten von gegenteiligen Einschätzungen und es dann lieber bleiben lassen. Wozu das führen kann, lehren auch die Ereignisse um die Dokumenta in Kassel. LG Jürgen
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Hallo Jürgen,
da hast du sicher recht. Ich denke bei uns tut man sich noch immer schwer mit der Rolle der Schwerindustrie bei Hitlers Machtergreifung und auch im Umgang mit den Politikern der DDR nehme ich erhebliche Berührungsängste wahr.
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