Orgosolo

Tag 14 auf Sardinien

Orgosolo ist zu allererst ein typisch sardisches Bergdorf.

Dennoch sticht es aus der Menge aller anderen sardischen Bergdörfer deshalb hervor, weil das „Wutbürgertum“ hier besondere Formen des Widerstandes hervorgebracht hat. Noch in der Mitte des letzten Jahrhunderts war hier das Banditentum so verwurzelt, dass Vittoria de Seta sich veranlasst sah, in seinem Film „Banditen von Orgosolo“ das harte Leben der Schafhirten und deren Misstrauen gegenüber der Regierung schonungslos zu schildern.

Später verlegte man sich auf sozialverträglichere Formen des Widerstandes. In den 60er Jahren tauchten erstmals Wandgemälde mit politischen Inhalten auf. Diese „Murales“ machten Orgosolo über Italien hinaus berühmt. Zugleich setzte das Widerstandsnest damit einen Trend, der in vielen Ortschaften aufgegriffen wurde und sicherlich auch als ein Ursprung heutiger Graffitis verstanden werden kann.

Bereits vor dem Ortseingang wird man heute von Gemälden auf Felsen empfangen. Hier eine Frau in ortsüblicher Tracht mit Kind und – bitte nicht übersehen – Rosenkranz in der Hand.

Beim Gang durch Orgosolo, lassen sich die Murales grob in vier Kategorien einteilen: Der kleinste Teil zeigt den Alltag der einfachen Leute. Ein größerer Teil kanalisiert die Wut und Unzufriedenheit der Bevölkerung mit ihrer politischen Führung. Wieder andere greifen aktuelle Ängste und Probleme auf und der überwiegende Teil befasst sich mit politischen Themen, die in ihrer Aufmachung häufig einem Lehrbuch linksideologischer Propaganda entstammen könnten.

In Orgosolo findet sich offensichtlich für jedes Thema ein Künstler, sogar für die RAF.

Es ist kaum zu glauben, doch auch dies gibt es in Orgosolo noch. Oder handelt es sich hier um die Vorbereitung eines neuen Wandgemäldes?

Eines jedenfalls ist sicher, einen Besuch in Orgosolo sollte man bei einer Sardinienreise unbedingt einplanen.


2 Gedanken zu “Orgosolo

  1. Hallo Horst, das Banditendorf pflegt sein Revoluzzertum. Im Marketing würde man sagen, das ist ein Alleinstellungsmerkmal. Offensichtlich zieht es Besucher an 🙂. Etwas verblichen sind die Themen allerdings. Danke für das Ausgraben dieser Kuriosität. Liebe Grüße Jürgen

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    1. Lieber Jürgen, da hast Du völlig recht. Das ist halt der Gang der Dinge. Die Bedeutung verändert sich mit der Zeit und dem Zweck. Wenn dann noch eine Geschäftsidee / das Profitdenken dazu kommt, wird aus dem schlimmsten Banditen ein tüchtiger Geschäftsmann. Oder war die logische Kette umgekehrt? 😉 Den Menschen in dieser ärmlichen Region jedenfalls ist es nicht zu verdenken.
      Liebe Grüße Horst

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