Stuttgart 21 – im Tunnel

Die geniale Idee, die Zufahrt zum Kopfbahnhof Stuttgart um 90 Grad zu drehen, um daraus einen Durchgangsbahnhof zu machen, hatte einen Haken. Sie erforderte einen Tunnelbau von insgesamt 57 km Länge. Dies allein deutet die Schwierigkeiten, die es zu überwinden galt, jedoch nur an. Da der Tiefbahnhof Stuttgart 21 den gesamten Talgrund durchschneidet, mussten in diesem Bereich Straßen- und S-Bahntrassen sowie Abwasser- und Medienkanäle verlegt werden und der ungestörte Abfluss des Grundwassers gewährleistet bleiben. Letzteres wurde dadurch erreicht, dass der gesamte Tiefbahnhof als „Brücke“ konstruiert wurde. Die Bodenplatte des Bahnhofs lastet auf 2053 Rammpfählen, die bis zu 8 m tief im Erdreich verankert sind. Diese lassen dem Grundwasser genügend Raum und verhindern, dass das Bauwerk bei Hochwasser aufgeschwemmt wird. Und dann waren da noch die geologischen Probleme wie Mineralwasserquellen und die Anhydrit-Schicht, die bei Kontakt mit Wasser quillt und damit enorme Druckkräfte freisetzen kann. Der Juchtenkäfer spielte allerdings beim Tunnelbau keine Rolle.

Bei einer Tunnelführung Ende November 22 konnte ich den derzeitigen Stand der Arbeiten besichtigen. Unsere Führung begann wie üblich im ITS-Turm (InfoTurmStuttgart). Anhand von Modellen und Plänen lassen sich dort die einzelnen Abschnitte der Planung und des Bauens nachvollziehen.

Ein Highlight für viele Besucher ist sicherlich der virtuelle Drohnenflug durch den neuen Tiefbahnhof (oben). Doch auch den realen Blick auf die Baustelle sollte man nicht versäumen. Gegenwärtig werden die letzten vier Kelchstützen betoniert. Wenn diese ausgehärtet sind, kann die Decke der Bahnhofshalle vollends geschlossen werden.

Für uns ging es nach einer kurzen, allgemeinen Einführung in den Keller. Dort wurden wir mit Sicherheitsschuhen, Warnweste, Helm, Positionsmelder und Kopfhörer ausgestattet. Danach brachen wir Richtung Nordbahnhof auf.

In der Nähe des alten Abstellbahnhofs (oben) wird die Ehmannstraße von vier in die Jahre gekommenen Eisenbahnbrücken überspannt (unten). Nach Inbetriebnahme von Stuttgart 21 sind diese, wie das gesamte Nordbahnhofareal obsolet und sollen der Stadt neue Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen.

Wir nutzten eine künftige Rettungszufahrt, um in die neuen Tunnelröhren einzusteigen. Zuerst ging es hinab in eine S-Bahn-Röhre. Anders als in den Bahntunneln, sind die Gleise hier im Schotterbett verlegt. Anschließend wechselten wir hinüber in die Röhren der Bahn. Hier konnte man eine Sicherheitsauflage beim Tunnelbau gut erkennen. Da der weitere Streckenverlauf bis zum Tiefbahnhof über einen Kilometer lang ist, werden die beiden Gleise ab hier in getrennten Röhren geführt. Die Strecke unterm Rosensteinpark hindurch bis zur Neckarbrücke beträgt jedoch weniger als ein Kilometer, weshalb die Beiden Gleise nun in einer Röhre geführt werden können.

Mit Erreichen des Tunnelportals unterm Rosensteinmuseum ist die Kurve in Richtung Bad Cannstatt vollendet.

Der Anschluss an die bestehende Bahnstrecke erfolgt über eine neue Neckarbrücke. Die alte Rosensteinbrücke, rechts erkennbar, wird nach Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs nicht mehr benötigt. Ob sie abgerissen oder einer neuen Nutzung zugeführt wird, ist noch offen. Das Bild unten zeigt den Blick neckarabwärts auf die neue „Rosensteinbrücke“.

Zu Stuttgart 21 findest Du auf meiner Seite noch einen Bericht zu einer Baustellenführung 2020 und zum Bau der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm von 2019, die jetzt in Betrieb geht.


14 Gedanken zu “Stuttgart 21 – im Tunnel

  1. Was sind schon vier Jahre Verzug, die 2. S-Bahnstammstrecke in München soll sieben Jahre später fertig werden! Und das Bauvorhaben ist nicht so kompliziert wie Stuttgart 21. Danke für deinen detailreichen Bericht. Liebe Grüße Jürgen

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